Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Hessen im September 2018

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im September 2018. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4 5
Vorpunkte 7,43 7,18 9 5 7
Aktenvortrag 9 8 9 7 8
Prüfungsgespräch 8 10 9 7 10
Endnote 8,66 8,71 10,33 5,83 8,62
Endnote (1. Examen) 6,

Zur Sache:

 

Prüfungsthemen: vorläufiger Rechtsschutz, Verwaltungsakt, Allgemeinverfügung, Bekanntgabe

Paragraphen:§80 VwGO,§8 VwZG

Prüfungsgespräch:Frage-Antwort, Diskussion, hält Reihenfolge ein, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Inhaltlich hat die Prüferin einen Fall zum IfSG gestellt, der auch – jedoch nur am Rande – Bezüge zum Schulrecht aufwies. Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit, auch aktuelle Fälle abzuprüfen, war der uns gestellt Fall nicht tagesaktuell, sodass er uns allen auch nicht bekannt war. Unsere Gruppe hatte sich in der Vorbereitung viel mit aktuellen Fällen beschäftigt, was sich hier nicht ausgezahlt hat. Man sollte sich also nicht nur mit aktuellen Fällen beschäftigen, sondern versuchen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen aktuellen Urteilen und Basics zu schaffen.
Der Fall, den die Prüferin uns ausgedruckt herumreichte, war ca. eine Din-A4 Seite lang und sollte von mir vorgelesen werden. Durch die Länge gingen dabei schon ca. 6-7 Minuten für das Lesen drauf. Die Prüferin teilte zudem den für den Fall einschlägigen § 28 IfSG aus, da dieser lediglich im Ergänzungsband zum Sartorius abgedruckt war. Inhaltlich befasste sich der Fall mit einer Schule, in der ein Kind mit Masern im Unterricht viele weitere Kinder ansteckte. Dabei erkrankten lediglich die Kinder, die nicht gegen Masern geimpft waren. Nach dieser ersten Krankheitswelle kam es im Verlauf des Jahres zu einem weiteren Masernfall, weshalb das Gesundheitsamt der Schule per E-Mail mitteilte, dass die Kinder, die nicht geimpft seien, für zwei Wochen vom Unterricht ausgeschlossen werden sollten, um eine Ansteckung zu vermeiden. Die Schule leitete diese E-Mail an den Elternbeirat und die Eltern weiter. Zu den betroffenen Kindern gehörte auch das Kind des X, das aufgrund der religiösen Einstellung seiner Eltern nicht geimpft war. Der Vater des Kindes wendete sich nun an uns als Rechtsanwälte und möchte gegen den Ausschluss seines Kindes von der Schule vorgehen.
Die Prüferin fragte nun zuerst meine Sitznachbarin, was man denn ganz allgemein mache, wenn ein Mandant in die Kanzlei käme. Hier wollte die Prüferin insbesondere darauf hinaus, dass man den Mandanten auf die zu tragenden Kosten hinweist, die er insbesondere im Falle eines Unterliegens zu tragen hat. Zudem wurde das Thema Vollmacht angesprochen. Hier fragte die Prüferin, ob man denn beim Vorgehen eines Elternteils gegen den Ausschluss des Kindes aus der Schule auch eine Vollmacht des zweiten Elternteils benötige. Dies ließ die Prüferin alle Prüflinge diskutieren und fragte hier nach Argumenten für die jeweiligen Sichtweisen. Nachdem jeder etwas dazu gesagt hatte, gab die Prüferin an, dass hierzu unterschiedliche Meinungen vertreten würden und man an dieser Stelle alles vertreten könne. Es kam ihr also lediglich darauf an, dass wir das Problem sahen und uns mit den Argumenten auseinandersetzten. Im Ergebnis sollte man wohl als Rechtsanwalt zur Sicherheit eine Vollmacht beider Eltern einholen; dies hatten wir auch bereits vorher mehrmals erwähnt.
Sodann stieg die Prüferin in die eigentliche Prüfung des Falles ein, wobei sie zunächst fragte, welcher Rechtsbehelf hier in Frage käme. Richtig war hier – wie auch von uns so beantwortet – die Möglichkeit eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage oder je nach den noch zu ermittelnden Voraussetzungen auch ein mögliches vorläufiges Rechtsschutzverfahren.
Der Reihenfolge entsprechend beschäftigten wir uns zunächst mit dem Widerspruchsverfahren. Hier war der § 16a HessAGVwGO zu finden und sodann die entsprechende Nummer in der Anlage 2, die ausdrücklich § 28 IfSG erwähnte, sodass es hier keine besonderen Schwierigkeiten zu überwinden galt. Man musste lediglich die einschlägige Nummer finden.
Da ein Widerspruchsverfahren demnach nicht statthaft war, musste nun geklärt werden, ob eine Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung entfaltet oder – gesetzt den Fall das nicht – ein vorläufiges Rechtsschutzgesuch eingereicht werden sollte. Da wir das IfSG nur auszugsweise vorliegen hatten, teilte uns die Prüferin mit, dass in Absatz 3 der ausgeteilten Norm der Verweis auf § 16 IfSG die Anordnung enthalte, dass Widersprüche keine aufschiebende Wirkung besitzen, sodass an dieser Stelle schnell klar war, dass ein vorläufiges Rechtsschutzgesuch zu prüfen war – wie die Prüferin dies auch in vielen anderen Prüfungen zum Gegenstand gemacht hat.
Die Prüferin ließ sodann die Voraussetzungen des § 80 Abs. 5 VwGO von uns durchprüfen. Dabei wurden einzelne Prüfungspunkte vertieft erläutert, während andere, unproblematische Voraussetzungen nur der Vollständigkeit halber erwähnt wurden. Worauf die Prüferin näher einging, war hier der Verwaltungsakt an sich, gegen den der Vater X vorgehen wollte. Hier stellte sie die Frage, wie Verwaltungsakte generell bekannt gegeben würden und von wem im vorliegenden Fall der Verwaltungsakt stamme. Hier war zu erkennen, dass die Schule lediglich als Bote des Gesundheitsamtes durch Weiterleitung der entsprechenden E-Mail fungierte, sodass das Gesundheitsamt den Verwaltungsakt bekanntgegeben hatte. Weiterhin wurde – wie die Prüferin dies auch bereits in anderen Prüfung getan hatte – die Form der Bekanntgabe thematisiert. Hier gingen wir insbesondere auf die §§ 37 und 41 HVwVfG ein. Auf die Frage, was denn im Fall einer nicht ordnungsgemäßen Bekanntgabe zu tun sei, reichte die Prüferin die Argumentation mit dem VwZG, das die Bekanntgabe für den Fall fingiert, dass der Empfänger tatsächlich Kenntnis nehmen konnte (§ 8 VwZG). Wie bereits oben erwähnt, gefiel der Prüferin hier die Argumentation unter Rückgriff auf das VwZG, was sie dementsprechend lobte.
Nach der Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen, die letztlich alle bejaht werden konnten, beschäftigten wir uns den Rest der verbleibenden Zeit mit der Begründetheitsprüfung. Auch hier ging die Prüferin systematisch das Prüfungsschema (EGL, formelle Rechtmäßigkeit, materielle Rechtmäßigkeit) durch und ließ vereinzelt Punkte vertieft behandeln. Auch hier kam es ihr ausschließlich auf eine gute und nachvollziehbare Argumentation an, die man teilweise auch mit Argumenten aus dem ausgeteilten Sachverhalt unterfüttern konnte. In der Begründetheitsprüfung spielte dabei auch Art. 6 GG eine Rolle; auch hier verlangte die Prüferin kein vertieftes Wissen zu Schutzbereich, Eingriff etc. Vielmehr sollte man aktiv in der Prüfung überlegen, wie weit der Schutz von Art. 6 GG gehe und ob unser vorliegender Fall hier davon erfasst sei. Die Diskussion konnten wir an dieser Stelle dabei nicht zu Ende führen, da die Zeit bereits um war.