Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Hessen vom Juli 2021

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im Juli 2021. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4
Vorpunkte 6,9 4,25 5,4 6,2
Aktenvortrag 7 7 4 3
Prüfungsgespräch 11 12
Endnote 8,2 6,7 6,0 7,1
Endnote (1. Examen) 7,4

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Allgemeine Rechtsbegriffe Merkmale des Verwaltungsakts, einstweiliger Rechtsschutz, Beamtenrecht

Paragraphen: §44a VwGO, §126 BBG, §48 BBG, §80 VwGO, §123 VwGO

Prüfungsgespräch:  Frage-Antwort-Diskussion, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer hatte, bevor wir den Raum betraten, bereits einen Fall ausgeteilt, den wir uns aber noch nicht anschauen sollten. Er startete das Prüfungsgespräch mit abstrakten Fragestellungen. In der Zivilrechtprüfung wurde der sog. „unbestimmte Rechtsbegriff“ genannt. Ein Prüfling sollte diesen abstrakt definieren und Beispiele im öffentlichen Recht finden. Hierbei wurde u.a. der Begriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ im HSOG genannt. Sodann wurde die Prüfung auf das Ermessen gelenkt. Man sollte die Norm § 114 VwGO finden und die Ermessensfehler nennen. Beim Ermessensausfall tat sich die Prüfungsgruppe schwer, da der Prüfer unbedingt hören wollte, dass sich die Behörde dann von „sachfremden Beweggründen“ hat leiten lassen. Dieser Teil der Prüfung wirkte eher zäh und man konnte überhaupt nicht einschätzen, wie der Prüfer die jeweiligen Antworten fand.
Sodann wurde der Fall geprüft. Der Prüfer las den Sachverhalt langsam vor und gab uns im Anschluss noch etwas Zeit, den Sachverhalt selbstständig nochmals zu lesen und uns schon Gedanken zum Fall zu machen.
Im Fall ging es grob um Folgendes:
Ein Bundespolizeidirektor ist seit längerer Zeit alkoholabhängig und wurde vom Dienst freigestellt.
Hierzu bekam er ein Schreiben übersandt. Ihm wurde aufgetragen, dass er sich innerhalb von zwei Wochen beim Amtsarzt diversen Untersuchungen hinsichtlich einer Wiederaufnahme unterziehen sollte. U.a. sollte ein Alkoholtest gemacht werden und er sollte sich einigen Fragen unterziehen. Der Polizeidirektor kam zu uns als Rechtsanwalt und wollte sich „gegen das Schreiben wehren“.
Zunächst wurden innerhalb der Anfechtungsklage die Voraussetzungen des Verwaltungsakts (VA) geprüft. Der Prüfer wollte die richtige Norm (§ 35 VwVfG) wissen und wir sollten „dieses Schreiben“ unter die Voraussetzungen eines VA subsumieren. Insbesondere war hier die Außenwirkung problematisch, da es sich eher um eine innerdienstliche Weisung handelte. Der Begriff Sonderstatusverhältnis wurde angesprochen, was dem Prüfer gefiel. Dabei wurde erörtert, dass der Mandant nicht in seiner persönlichen Rechtsstellung betroffen war, sondern nur als Glied der Verwaltung angesprochen wurde. Ein Prüfling sollte ein weiteres problematisches VA-Merkmal finden. Hierbei wurde auf die Regelungswirkung eingegangen. Problematisch war hierbei die Abgrenzung zum Realakt. Argumentiert wurde damit, dass der Mandant die ärztlichen Eingriffe dulden müsse, was dann eher VA-Qualität habe.
Weiter wurde erörtert, ob es denn eines Vorverfahrens bedürfte. Ein Prüfling fand den § 54 II BeamtStG und ein weiterer Prüfling den § 126 II BBG. Demnach muss grundsätzlich ein Vorverfahren durchgeführt werden, bevor man klagt.
Im Anschluss wurden weitere Klagemöglichkeiten genannt. Erörtert wurden die Leistungsklage und die Feststellungsklage. Hierauf sollte aber nicht mehr weiter eingegangen werden, da der Prüfer aufgrund der Eilbedürftigkeit den einstweiligen Rechtsschutz geprüft haben wollte. Dabei sollte zunächst untersucht werden, welches Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorliegend gegeben sein könnte. Ein Prüfling ging auf die Negativabgrenzung des § 123 V VwGO ein und dass das Verfahren des § 123 I VwGO subsidiär gegenüber den §§ 80 V, 80a VwGO ist.
Weiter wurde erörtert, ob denn ein Widerspruch gegen diese Weisung aufschiebende Wirkung habe.
Dabei sollte man genau den Wortlaut der Norm § 80 I 1 VwGO lesen. Dieser besagt, dass nur Widerspruch UND Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben. Da hier jedoch keine Anfechtungsklage vorlag, hatte die Weisung keine aufschiebende Wirkung. Demnach war nur der § 123 I VwGO statthaft.
Der Prüfer wollte dann noch hören, wo es noch einstweiligen Rechtsschutz in der VwGO gäbe. Er wollte hierbei auf den § 47 VI VwGO hinaus und fragte nach aktuellen Fällen. Genannt wurden die Corona-Verordnungen, die nahezu allesamt mit diesem Verfahren überprüft wurden.
Sodann wurde erörtert, dass quasi kein weiterer Rechtsschutz möglich ist, da die Untersuchung lediglich eine sog. „vorbereitende Maßnahme“ als Verfahrenshandlung ist. Denn die Untersuchung war nur zur Vorbereitung für die behördliche Entscheidung, nämlich die Wiedereinstellung oder die Suspendierung. Der Prüfer wollte dann wissen, mit was dieses Vorgehen vergleichbar wäre. Ein Prüfling zog richtigerweise den Vergleich mit der MPU. Mit einer kleinen Hilfestellung wurde der § 44a VwGO genannt, wonach Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können. Demnach kann allein die Verfahrenshandlung nicht mit einem Rechtsbehelf angegriffen werden.
Ein Prüfling erklärte dann, dann der Mandant entweder erst gar nicht zur Untersuchung erscheinen solle, sodass dann der für ihn belastende Bescheid angegriffen werden könne oder er zur Untersuchung erscheinen solle und sodann das möglicherweise ebenso Ergebnis angreifen könne. Auf die Frage des Prüfers, was der zweckdienlichere Rat wäre, antwortete der Prüfling, dass er erst gar nicht zur Untersuchung erscheinen solle, damit es erst gar kein Gutachten über seine Gesundheit gäbe. Diese Antwort wurde von dem Prüfer positiv abgenickt.
Zum Schluss sollte ein Prüfling noch die richtige Ermächtigungsgrundlage für den Eingriff finden.
Genannt wurde hier § 48 BBG.
Damit endete die Prüfung.