Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Hessen vom März 2022

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1 2 3 4

Note staatl. Teil 1. Examen

8 9 10 8

Gesamtnote 1. Examen

8,22 9 8,4 7

Gesamtnote 2. Examen

8,62 10,3 10,0 7,75

Zur Sache:

Prüfungsstoff: aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: Aktuelles

Paragraphen: §535 BGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort-Diskussion, verfolgt Zwischenthemen

Prüfungsgespräch:

Der Prüfungseinstieg erfolgte (zur Auflockerung gedacht, für die Prüflinge teilweise jedoch überraschend) mit der Frage nach aktuellen Entscheidungen im Zivilrecht. Jeder Prüfling musste eine „aktuelle“ Gerichtsentscheidung mit Bezug zum Zivil- oder Zivilprozessrecht nennen. Die Prüflinge nannten u.a. eine Entscheidung des BGH zum gutgläubigen Erwerb von KFZ bei täuschungsbedingter Probefahrt oder eine Entscheidung des BVerfG zur prozessualen Waffengleichheit bei einstweiliger Verfügung.  Der Prüfer wollte insbesondere auch auf etwaige Auswirkungen der Ukraine-Krise auf das hiesige Zivilrecht hinaus. Er gab sich mit einem Hinweis aufsteigende Stromkosten und die Frage nach der Zulässigkeit von Kostenerhöhungen durch (Stromkosten-)Anpassungsklauseln zufrieden. Sodann schilderte der Prüfer uns folgenden, kurzen Fall: M mietet von V eine Gewerbeimmobilie. Aufgrund der COVID-19-Pandemie kann der M sein Gewerbe in der Mietsache für einen Monat nicht mehr ausüben (wohl wegen amtl. Betriebsschließung). Er setzt somit eine Monatsmiete aus. Der Vermieter fragt, ob er einen Anspruch auf besagte Monatsmiete hat. I. Die Kandidaten prüften zunächst, ob der Mietzinszahlungsanspruch entstand (§ 535 II BGB), was zu bejahen war. II. Fraglich war sodann, ob der Anspruch auch nicht erloschen ist. 1. Zunächst wurde detailliert das Mietmangelgewährleistungsrecht angeprüft. Es wurde der (Sach- und Rechts-)Mangelbegriff definiert. Im Ergebnis scheiterte die Gewährleistung unabhängig von der Bejahung des Mangelbegriffs wohl jedoch an einem Vertreten müssen des Vermieters, wie in § 536 I BGB gefordert. 2. Anschließend wollte der Prüfer auf die Unmöglichkeit und den Wegfall der Gegenleistungspflicht nach §§ 326, 275 I BGB hinaus. Hier wurde nach kurzer Prüfung das Vorliegen einer Unmöglichkeit und somit der Wegfall der Gegenleistungspflicht verneint. 3. Die Prüflinge kamen sodann auf § 313 BGB und die Frage nach der Störung der Geschäftsgrundlage zu sprechen. Zunächst wollte der Prüfer die geschriebenen und ungeschriebenen TB-Vss. des § 313 BGB genannt haben. a. Die Anwendbarkeit auf Dauerschuldverhältnisse (wie z.B. der hiesigen MietV) wurde wg. § 313 III 2 BGB und Art. 240 § 7 EGBGB bejaht. b. Das problematische Verhältnis von § 313 BGB und § 275 BGB wurde abgefragt (Stichwort: Leistungsinteresse des Gläubigers). Einer der Kandidaten nannte eine Entscheidung des BGH aus den 1980er-Jahren zu einer iranischen Tierkadaverfabrik (BGHZ 83, 197 ff.). c. Die geschriebenen TB-Vss. wurden sodann erörtert. Die Annahme eines hypothetischen Elements (Nutzbarkeit der Gewerbeimmobilie für Gewerbe) wurde bejaht. Bzgl.. des realen Elements kam es dem Prüfer auf eine Diskussion an. Hier war wohl alles vertretbar. Eine Kandidatin argumentierte z.B. ausführlich anhand des Art. 240 § 7 EGBGB. So entschieden die Gerichte wohl teilweise auch unterschiedlich zu diesem Fall, was der Prüfer mit einer lustigen Bemerkung kommentierte. Abschließend fragte der Prüfer Prozessrecht ab. Nach allgemeinen Fragen zur Eingangsinstanz, erfolgten teilweise detaillierte Fragen zu Rechtsmitteln (Berufung und Revision sowie Instanzenzug und jeweilige Besetzung der Spruchkörper). Auch wurde z.B. nach der Anzahl der BGH-Senate gefragt (es sind 13 Senate). Alles in Allem eine mit entsprechend intensiver Vorbereitung sehr gut machbare Prüfung, welche zum Schluss sehr wohlwollend bewertet wurde. Tipp: Aktuelle Entscheidungen lesen und Basics aus dem Prozessrecht wiederholen. Viel Erfolg!

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im März 2022. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.