Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Niedersachsen vom Januar 2021

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Niedersachsen im Januar 2021. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Vorpunkte 73
Aktenvortrag 12
Prüfungsgespräch 11
Endnote 10,66
Endnote (1. Examen) 10,98

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest

Prüfungsthemen: StPO, Straßenverkehrsdelikte

Paragraphen: §315c StGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort-Diskussion, hält Reihenfolge ein, lässt sich ablenken

Prüfungsgespräch:

Die Prüferin eröffnete ihr Prüfungsgespräch mit einem Fall, den wir die gesamte Prüfungszeit über prozessual und materiell-rechtlich prüften:
Vor einer späteren Zeugin fährt zu nächtlicher Stunde ein PKW. Die Zeugin beobachtet, wie der PKW Schlangenlinien fährt. Plötzlich gerät der PKW auf die Gegenfahrbahn. Die Fahrerin des entgegenkommenden PKW muss zur Vermeidung einer Kollision ausweichen, prallt bei diesem Ausweichmanöver allerdings gegen einen Baum, wird schwer verletzt und verstirbt später im Krankenhaus.
Der PKW vor der Zeugin stoppt sodann kurz, fährt dann aber weiter. Die Zeugin hat sich das Kennzeichen dieses PKW gemerkt und meldet dieses der Polizei. Die Polizei findet den PKW kurze Zeit später abgeschlossen abgestellt auf einem Parkplatz.
Die Prüferin wollte wissen, wie die Polizei nun weitervorgeht. Als erstes schlugen wir vor, den Halter des PKWs mit dem von der Zeugin durchgegebenen Kennzeichens zu ermitteln. Zusätzlich sollte der PKW sichergestellt werden. Nach Ermittlung des Halters des PKW (im Folgenden: B) suchte die Polizei diesen in seiner Wohnung auf. Die Prüferin erzählte den Fall weiter:
Der B öffnete die Tür mit einer Bierflasche in der Hand und war offensichtlich stark alkoholisiert.
Die Prüferin wollte wissen, was die Polizei nun tun wird, um herauszufinden, ob B der Fahrer des abgestellten PKW war. Wir nannten die Durchsuchung der Wohnung und die Abnahme einer Atemalkoholprobe, wobei die Prüferin hierzu Fragen zur praktischen Verwertbarkeit bzw. zum Beweiswert einer solchen Atemalkoholprobe stellte. Wir gingen auf § 81 a StPO ein, sagten, wer grundsätzlich für die Blutprobeentnahme zuständig sei und besprachen das Vorliegen der Gefahr im Verzug im konkreten Fall. Die Prüferin wollte bezüglich der Bierflasche in den Händen des B insbesondere auf den Nachtrunk hinaus. Die Prüferin erzählte weiter:
Bei B wurde aufgrund einer Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von 1,6 (??) festgestellt.
Wir besprachen die relative und absolute Fahruntüchtigkeit. Hierbei wollte die Prüferin u.a. hören, was man für Annahme der absoluten Fahruntüchtigkeit nicht braucht. Alkoholbedingte Ausfallerscheinungen.
Auch besprachen wir die Möglichkeit, das Handy des B sicherzustellen – bzw. bei keiner Freiwilligkeit zur Herausgabe zu beschlagnahmen, um über das GPS an Informationen bezüglich des Aufenthaltes des B in der Nacht des Unfalls herauszufinden. Die Prüferin machte eine kurze Ausführung zur Beschlagnahme und wollte wissen, wie B sich gegen eine Beschlagnahme wehren kann. Widerspruch. Wer darf die Beschlagnahme anordnen und kann ein Gegenstand ohne gerichtliche Anordnung beschlagnahmt werden? Siehe § 98 StPO.
Sodann fragte die Prüferin nach weiteren konkreten Ermittlungsmaßnahmen bezüglich des PKW: nach DNA-Spuren und Fingerabdrücken suchen; das Navigationssystem auswerten (soweit in dem PKW eins ist); Einstellung der Sitze und Lehnen prüfen, um etwas für die mögliche Größe des Fahrers herauszufinden.
Nun kamen wir zu der Prüfung der materiellen Straftatbestände, welcher B (hinreichend) verdächtig sein könnte.
Wir nannten § 142 StGB (Die Prüferin wollte hierzu keine weiteren Ausführungen), nannten § 316 und § 315 c StGB und erklärten kurz das Verhältnis dieser Normen zueinander.
Wir führten die §§ 211 ff. StGB an, nannten die Hemmschwellentheorie und kamen zu dem Ergebnis, dass eine Strafbarkeit mangels Vorsatzes des B bezüglich des Todes der verstorbenen Frau ausscheidet. Wir nahmen einen hinreichenden Tatverdacht hinsichtlich § 222 StGB an.
Sodann prüften wir § 315 c StGB, wobei die Prüferin Argumente hören wollte, ob vorliegend B § 315 c I StGB oder der Fahrlässigkeits- Fahrlässigkeits-Kombination i.S.d. § 315 I i.V.m. III StGB hinreichend verdächtig sei. In dem Zuge grenzten wir den Eventualvorsatz von der bewussten Fahrlässigkeit ab.
Wir Prüflinge kamen alle zum Ergebnis eines hinreichenden Tatverdachts bezüglich § 315 c I i.V.m. 315 III StGB. Die Prüferin sagte allerdings, dass sie § 315 I StGB als Straftatbestand mit dem höheren Strafrahmen angeklagt hätte.
Würde sich in der Hauptverhandlung herausstellen, dass B „nur“ doppelt fahrlässig gehandelt hätte, wäre eine mildere Verurteilung nach § 315 I i.V.m. 315 III StPO möglich. Ein solches Vorgehen würde § 265 StPO nicht entgegenstehen.