Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Orginal-Mitschrift aus dem Zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW vom Dezember 2015. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsgespräch:
Wie bereits erwähnt haben wir der Prüfer überraschend bekommen, sodass ich keine Protokolle zu ihm kenne. Er selbst gab jedoch zu Beginn unserer Prüfung an, dass er in seiner Tätigkeit als Anwalt IT-Recht macht und deshalb in der mündlichen Prüfung immer IT Fälle hat. Nun sei dazu gesagt, dass ich selbst zufälligerweise auch auf das IT-Recht spezialisiert bin, bevor aber alle in Panik verfallen muss man wissen, dass sein Fall ohne jede Ahnung von IT-Recht gelöst werden konnte. Besser noch kann ich euch sagen, dass seine Neigung zu IT-Fällen sein Prüfungsspektrum erheblich einschränkt. Er kann euch keinen Spezialstoff fragen und entfernt man diesen, können seine Fälle sich nur noch im BGB AT und im Schuldrecht abspielen. Eine Anreicherung mit Nebengebieten ist dabei natürlich immer vorbehalten. Wenn die Übereignung eines Computers aber nicht gerade schon als IT-Rechtsfall zählt, dürfte euch das Sachenrecht erspart bleiben (wie gesagt, ich kenne seine Protokolle nicht – würde mich grade aber sehr wundern). Und mit Grundstücken werdet ihr schon mal gar nichts zu tun haben, was doch wirklich alle begrüßen dürften.
Seine gesamte Prüfung baute der Prüfer auf folgendem Fall auf:
Heute, am 01.12.2015 erscheint M in unserer Kanzlei und schildert folgenden Fall:
M hat sich nach der Scheidung von seiner Frau vor einem Jahr am 01.12.14 bei der Online-Partnerbörse „Elite Partner“ angemeldet. Der dabei abgeschlossene Premium Vertrag gab als Leistung der Partnerbörse folgendes an: „Services, Dienste und Hilfe bei der Partnersuche“. Als Laufzeit war 1 Jahr (01.12.14 – 30.11.15) Die Funktionsweise von Elitepartner soll dabei auf einer Persönlichkeitsanalyse fußen. Nachdem die Persönlichkeit analysiert wurde, wird ein Matching durchgeführt, bei dem das Profil mit den Profilen aller anderen Angemeldeten abgeglichen wird, was in einem wissenschaftlich fundierten Vorschlag von 200 am besten passenden Partnern endet. Hierfür sind pro Monat 49,90 € zu zahlen. Für das seit dem abgelaufene Jahr hat M somit bereits 598,80 € bezahlt. Dies tat er über ein SEPA-Lastschriftmandat. Er erinnert sich auch noch wage daran online AGB akzeptiert zu haben. Die Vorschläge, die Elite Partner für ihn hatte, haben ihm indes nicht gefallen und nachdem er auf anderem Wege inzwischen eine Partnerin gefunden hat, will er mit der Seite nichts mehr zu tun haben. Nun hätte das Unternehmen ihn aber angeschrieben und dabei darauf verwiesen, dass sich sein Vertrag automatisch für ein weiteres Jahr verlängert hat und er somit weitere 598,80 € wird zahlen müssen. Der Mandant gibt an dies nicht tun zu wollen und fragt, was er tun kann. Er sei Rechtsschutzversichert und im Zweifel zu allem bereit.
der Prüfer fragte uns nun, was wir als Rechtsanwälte machen würden. Sollten Nachfragen bestehen, sollten wir ihn als Mandanten fragen. Ansonsten sollten wir unsere ersten Schritte beschreiben.
Genannt wurde zunächst die Unterzeichnung einer schriftlichen Vollmacht. Warum ist die wichtig? Weil in diesem Fall die Abgabe einseitiger Willenserklärungen im Raum steht und § 174 BGB ohne schriftliche Vollmacht ein Problem darstellen könnte. Hier hackte der Prüfer nach und wollte die Funktionsweise von § 174 BGB genau erklärt bekommen. Daneben wurden auch die Unterzeichnung eines Mandantenvertrages und die Einholung einer Deckungszusage von der Rechtsschutzversicherung genannt.
Wir fragten den Mandanten, ob er die AGB, denen er zugestimmt hat irgendwo habe. Dies wurde verneint. Also kam die Frage auf wie man an diese kommt. Man könnte auf die Seite von Elitepartner gehen. Jedoch gäbe es dabei das Problem, dass die AGB sich verändert haben könnten und auf der Seite nur die aktuelle Fassung zu finden ist. Es gibt im Internet aber auch Archivseiten, die die einmal online gestellten AGB enthalten werden (so z.B. https://archive.org/). Diese wären zu konsultieren.
Nach dem Vorgeplänkel ging es nun in die eigentliche rechtliche Prüfung. Muss der Mandant das überhaupt zahlen? Wo ist die Anspruchsgrundlage der Gegenseite? Hier ging es nun darum den Vertragstyp zu bestimmen, was wir nach einiger Argumentation mit der Festlegung auf einen Dienstvertrag taten.
Nun ging es um die AGB. der Prüfer unterstellte wir hätten uns diese beschafft und gab eine Klausel an, nach der die Mitgliedschaft für ein Jahr besteht und sich um je ein weiteres Jahr verlängert, wenn nicht binnen 4 Monaten vor Ablauf gekündigt wird. Diese Klausel sollten wir einer AGB-Prüfung unterziehen, da wir feststellten, das sie von dispositivem Recht (§ 621 BGB) abweicht. Sie scheiterte letztlich an § 309 Nr. 9 c BGB.
Dann ging es an das Beweisrecht. der Prüfer wollte wissen, wie die Beschaffenheit der AGB bewiesen werden soll. Vorschlag war ein Ausdruck der Archivseite. Was für eine Art von Beweis ist das. Hier verrannte sich die Gruppe ein wenig, in dem eine Urkunde angenommen wurde, was erst nach einigem Hin und Her bei der Feststellung endete, dass es sich um einen Augenscheinsbeweis handeln wird. Besonders wichtig ist es hier die passende Vorschrift, § 371 I 2 BGB zu kennen.
Nun sollten wir praktische Vorschläge machen, was zu tun wäre. Da die Klausel unwirksam ist und wieder § 621 BGB gilt, war eine rasche Kündigung angezeigt, die den Vertragszeitraum auf einen weiteren Monat begrenzt hätte. Daneben sollte die Gegenseite angeschrieben werden, um sie über unsere Ansichten in Kenntnis zu setzen. In der Folge glitten wir ein wenig ab und der Prüfer nutzte die Gelegenheit um unsere Kenntnisse über die Feststellungsklage abzufragen. Hier kam es darauf an die Norm zu kennen (§ 256 ZPO), den Unterschied zwischen einer normalen und einer negativen Feststellungsklage beschreiben zu können und zu wissen, dass bezüglich des Streitwertes bei einer normalen Feststellungsklage ca. 20% abgezogen werden, während eine negative Feststellungsklage den vollen Streitwert einer entsprechenden Leistungsklage hat.
Dann fragte der Prüfer, ob wir womöglich noch mehr machen könnten, insbesondere den Vertrag ganz zu Fall bringen. Wir kamen hier zum Ehemaklervertrag und diskutierten eine analoge Anwendung von § 656 BGB. Dies war eine der Stellen, an denen man sich bei der „vergleichbaren Interessenlage“ relativ frei einbringen und Argumente vorbringen konnte. Wir lehnten die Analogie mit zahlreichen unterschiedlichen Argumenten ab.
Zum Abschluss wandelte der Prüfer die Situation komplett ab und machte uns zum Anwalt des Unternehmens. Dazu gab er vor, dass die Analogie bejaht werden soll. Wir werden nun gefragt, was es tun könnte, um dieser Analogie zu entgehen. Erneut konnte frei vorgetragen und argumentiert werden. Vor allem zielten unsere Vorschläge auf eine Umformulierung des Leistungsangebotes um die Nähe zum § 656 BGB zu beseitigen. Hier wäre aber wohl jeder halbwegs sinnvolle Vorschlag in Ordnung gewesen.
Damit endete unsere Prüfung.
Abschließend kann ich sagen, dass zur Vorbereitung ein ordentlicher Gesamtüberblick über ZPO, sowie BGB AT und Schuldrecht angezeigt ist. Sachenrecht kann man vermutlich mit relativ ruhigem Gewissen aussparen. Und das Wichtigste ist mit klarem Kopf und möglichst wenig Nervosität an die Sache ranzugehen. Viele der Fragen sind mehr Denk-, als Wissensaufgaben, sodass man fast immer irgendwas beitragen kann.
Also, Ohren steif halten und durchziehen! Bald ist es geschafft.
Viel Erfolg!
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