Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW im August 2017. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsgespräch:
Die Prüferin hat uns gleich einen Fall diktiert. Sie redet zügig, aber man kam gut mit.
K aus Düsseldorf bucht im Winter beim Reiseveranstalter V eine Kreuzfahrt im April ab Fort
Lauderdale durch die Karibik. Die Reise soll zwei Wochen dauern und 4000 € kosten. Vollverpflegung und Unterhaltungsprogramm sind inklusive. Die Flüge von Deutschland nach Florida und zurück bucht K nicht mit, sondern bucht sie günstiger im Internet. Kurz vor Beginn der Reise bricht in Island ein Vulkan aus, so dass der gesamte Flugverkehr lahmgelegt ist. K kann also nicht nach Florida fliegen und andere Möglichkeiten als zu fliegen gibt es nicht mehr, um rechtzeitig zum Reisebeginn beim Schiff anzukommen. Deshalb schickt K dem V am 28.4. ein Schreiben, worin er die Kreuzfahrt wegen höherer Gewalt storniert. V akzeptiert die Stornierung, verlangt aber von K
Stornierungsgebühren in Höhe von 19% des Reisepreises. K sieht das gar nicht ein und will keinen Cent bezahlen. V verklagt K daraufhin.
Die Prüferin hat gefragt, ob noch was unklar sei. Dann sollte ich den Sachverhalt nochmal vortragen. Sie wollte dann von mir wissen, bei welchem Gericht wir uns befinden und die Normen dazu. Das Amtsgericht Düsseldorf ist sachlich nach § 1 ZPO, §§ 23 Nr. 1, 71 I GVG zuständig, weil der Streitwert unter 5000 € liegt und örtlich nach § 12, 13 ZPO, weil der K seinen Wohnsitz in Düsseldorf hat. Sie wollte dann weiter von mir wissen, ab wann das Landgericht zuständig ist (5000,01 €) und warum denn geregelt sei, dass der Wohnsitz des Beklagten ausschlaggebend für die örtliche
Zuständigkeit sei (zum Schutz des Beklagten, der sich plötzlich mit einer Klage konfrontiert sieht).
Dann war der nächste Kandidat dran. Da wir zu sechst waren, ist man nicht häufig drangekommen. Sie verharrt ziemlich lange bei dem einzelnen Kandidaten, aber gibt Fragen auch frei, wenn man nicht weiter weiß. Sie hilft auch und lässt einen nicht im Regen stehen. Melden kommt gut an und insgesamt sollte man sich aktiv zeigen und überzeugt seine Position vertreten, bloß nicht zaghaft und zögerlich zeigen.
Die nächste Kandidatin in der Reihe sollte dann überlegen, um was für einen Vertrag es sich handelt. Sie hat einen Reisevertrag vorgeschlagen und wir haben dann relativ lange über die Merkmale des Reisevertrags nach § 651a diskutiert und ob es einer ist, obwohl die Flüge nicht mit enthalten waren. Vor allem mit Blick auf die Vollverpflegung und das Unterhaltungsprogramm haben wir uns letztendlich für einen Reisevertrag entschieden. Dann sollte der nächste Kandidat eine Norm für die Stornierung des K finden und schlug 651 i BGB vor. Dann haben wir lange und leicht chaotisch diskutiert, ob 651 i oder 651 j besser passt. 651 j ist wegen höherer Gewalt hier spezieller und deshalb vorrangig zu prüfen. Wir haben höhere Gewalt definiert und diskutiert, ob der
Vulkanausbruch darunter passt und ob sich der V, bei dem der K die Flüge gerade nicht gebucht hat, den Vulkanausbruch zurechnen lassen muss, obwohl die Kreuzfahrt ja stattgefunden ist und er vertragsgemäß hätte erfüllen können. Hier war alles vertretbar. Wir haben dann diskutiert, ob und wie hoch nach 651j II, 651 e II 2 die Entschädigung sein kann. Hier war auch alles vertretbar. Es gibt wohl ein Urteil dazu, wonach K gar keine Stornierungsgebühren zahlen muss.
Zum Schluss haben wir noch über prozessuales gesprochen. Sie wollte wissen, was der Richter am
AG Düsseldorf überlegt hat, als er die Akte auf den Tisch bekam: frühen ersten Termin anberaumen (274 ZPO) oder schriftliches Vorverfahren anordnen (276 ZPO) und was man als Anwalt von K machen kann (außergerichtlich einigen, Klageerwiderung verfassen, sofort anerkennen). Was kann der Richter machen, um die Beweisaufnahme zu umgehen? Einen Vergleich vorschlagen. Was kann er machen, um die Akte möglichst schnell vom Tisch zu kriegen? Den Vergleichsvorschlag gleich mit der Klageschrift und der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens an den Beklagten schicken. War das immer schon möglich? Nein
Insgesamt war die Prüfung relativ angenehm und machbar. Viel Erfolg!