Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – NRW vom Dezember 2020

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW im Dezember 2020. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4 5 6
Vorpunkte 4,875 4 4 5 7 8
Aktenvortrag 7 4 6 7 8 7
Prüfungsgespräch 6 4 8 8 7 9
Endnote 5,42 4 6? 6,4 7,4 8,4
Endnote (1. Examen) 7,74

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Vermögensdelikte, StPO Grundkenntnisse

Paragraphen: §242 StGB, §265 StPO, §266 StPO, §24 StPO, §16 StGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer hatte einen Fall ausgeteilt. Auch wenn ich den genauen Wortlaut nicht mehr weiß, ging er etwa so: A und B waren auf dem Weihnachtsmarkt und wollten Glühwein trinken. An der Bude des C stand ein Schild mit der Aufschrift „Glühwein 3 Euro“, auf dem eine dampfende Tasse abgebildet war. Der C als Glühweinverkäufer hatte die Tassen mit dem weihnachtlichen Motiv extra für diesen Markt anfertigen lassen. Der A, schon mehrfach wegen Diebstahl und Betrug vorbestraft, entschloss sich kurzerhand, die Tasse nicht zurückzugeben und steckte die Tasse in seinen Mantel. Er entfernte sich dann vom Markt. Ich sollte mit der Prüfung beginnen und zunächst den Diebstahl gem. § 242 StGB prüfen. Hierzu musste zunächst der objektive Tatbestand vorliegen und es musste sich um eine fremde bewegliche Sache handeln. Das Merkmal fremd beurteilt sich dabei nach zivilrechtlichen Gesichtspunkten. Hier waren zwei Aspekte entscheidend: Zum einen wollte der Prüfer auf die Parallelen zu der Pfandflaschenproblematik hinaus, worauf ich jedoch nicht kam. Weiterhin wollte er über eine ggfs. bestehende Ankaufsoption sprechen, die man ggfs. dem von C installierten Schild entnehmen könnte. Eine Ankaufsoption wurde meines Erachtens aus verschiedenen Gründen verneint (hierzu schwammige Erinnerungen), u.a., weil deutlich war, dass der C die Becher extra für den Markt hatte anfertigen lassen und auf die Rückgabe eines Großteils der Becher angewiesen war. Hinsichtlich der Parallele zu Pfandfaschen wollte der Prüfer darauf hinaus, dass bei Pfandflaschen, die in hohem Maße individuelle Merkmale aufweisen, das Eigentum beim Verkäufer verbleiben soll. Hier waren die Becher für den Glühwein entsprechend auch individualisiert, woraus eine Kollegin den Schluss zog, dass das Eigentum beim C verblieben war und somit die Sache fremd war. Dann definierte sie die Wegnahme und den Gewahrsamsbruch und kam darauf zu sprechen, dass hier eine Gewahrsamsenklave dadurch gebildet wurde, dass der A die Tasse unter seinem Mantel verbarg. Ich sollte dann den subjektiven Tatbestand prüfen und prüfte zunächst den Vorsatz in Bezug auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale und schließlich die Zueignungsabsicht, die ebenfalls definiert werden sollte. Hierbei fragte Herr Hausen dann noch, was passieren würde, wenn A glauben würde, er dürfe die Sache mitnehmen. Nach kurzem hin und her kam ich darauf, dass er dann über die Fremdheit der Sache irren würde und mithin ein Irrtum gem. § 16 I StGB vorliegen würde, der den Vorsatz entfallen lassen würde. Damit war der erste Fall beendet. Ich sollte dann sagen, wo ich als Staatsanwalt Anklage erheben würde. Ich antwortete „zum Strafrichter“ und nannte die Normen im GVG. Dann wollte der Prüfer noch Prozessuales prüfen und bildete einen kurzen Fall. Hier ging es darum, dass X wegen einer bestimmten Straftat aufgrund eines bestimmten Sachverhalts angeklagt worden war und später wegen einer anderen aufgrund eines anderen Sachverhalts verurteilt worden war. Ich habe den Fall nur so halb mitbekommen und kam daher auf die Wahlfestellung, Post- und Präpendenz zu sprechen. Der Prüfer machte deutlich, dass er darauf nicht hinauswollte, fragte aber dennoch das ein oder andere zu dem Thema und gab dann die Frage weiter. Eine Kollegin erklärte dann, dass es hier darauf ankomme, ob gem. § 265 StPO ein Hinweis erteilt werden müsse oder eine Nachtragsanklage nach § 266 StPO erforderlich sei. Hierfür komme es darauf an, ob es sich um eine neue prozessuale Tat handle (dann Nachtragsanklage). Hierzu fragte mich der Prüfer dann auch nochmal und ich führte das Ganze noch etwas näher aus. Hier kam es noch darauf an, dass der Angeklagte der Nachtragsanklage zustimmen muss, was er in der Regel nicht tun wird. Insgesamt war es eine faire Prüfung, die aber wohl aufgrund unseres Vorsitzenden bei uns allen mit sehr wenigen Punkten honoriert wurde.