Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – NRW vom Juli 2024

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Endpunkte

8,60

Endnote

9,53

Endnote 1. Examen

8,63

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest

Prüfungsthemen: Nachbarschaftsstreitigkeiten, § 1004, § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB (analog), § 15a EGZPO i.V.m. § 53 JustG NRW

Paragraphen: §1004 BGB, §906 BGB, §15a EGZPO

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort-Diskussion, hält Reihenfolge ein, verfolgt Zwischenthemen, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Zu Beginn diktierte der Prüfer (recht flott) im Wesentlichen den folgenden Fall: Sie sind Rechtsanwalt in Mönchengladbach. Ihr Mandant (M) ist Eigentümer eins mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks. Angrenzend hat A ein Grundstück gepachtet, auf dem dieser einen Biergarten betreibt. Der Balkon des M ist 15 Meter vom Biergarten entfernt. Im Biergarten erfolgt insbesondere in den Sommermonaten reger Betrieb, es wird auch gegrillt. Die Gerüche ziehen dabei regelmäßig zu M rüber. Dieser mag kein Fleisch und geht gerne früh schlafen. A kündigt für ein Wochenende eine dreitägige internationale Holzkohlegrillmeisterschaft an, in der zwischen 12 und 22 Uhr (später korrigierte er auf 20 Uhr) durchgehend gegrillt werden soll. Die Meisterschaft wird von der Stadt gefördert und soll künftig alle 2 Jahre stattfinden. Der Prüfer nahm die Kandidaten der Reihe nach dran, wobei jeder der sechs Prüflinge etwa drei Mal drankam und jeweils etwa zwei Minuten Redeanteil hatte. Fragen wurden nicht freigegeben. Dies führte manchmal dazu, dass wir uns etwas zu lange an Kleinigkeiten aufgehalten haben, wenn ein Prüfling nicht gleich wusste, worauf er hinauswollten oder die Antwort nicht kannte. Der Prüfer versucht aber mit Hilfestellungen die gewünschte Antwort aus den Kandidaten herauszubekommen, wobei er dies dann auch stets honorierte. Wir starteten mit § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB und subsumierten und alle Tatbestandsmerkmale. Insbesondere die verschiedenen Arten von Störern sollten ihr euch mit dem Grüneberg einmal erarbeiten. Es war auch wichtig zu erkennen, dass entgegen dem Wortlaut nicht nur eine Wiederholungsgefahr, sondern bereits eine Erstbegehungsgefahr den Anspruch ausreichen kann und darzulegen, unter welchen Voraussetzungen und wieso das anzunehmen ist. Über die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung kamen wir auf die Prüfung einer Duldungspflicht aus § 1004 Abs. 2 BGB zu sprechen. Hier kamen wir dann wenig überraschend auf den § 906 BGB zu sprechen, auf den sich einige Prüflinge überraschenderweise allerdings nicht richtig vorbereitet hatten. Ich erklärte, dass Dämpfe, Gerüche, Rauch, Ruß, Wärme und Geräusche unwägbare Stoffe sind, die hier einschlägig sein könnten. Es wurde gefragt, wie die unwesentliche Beeinträchtigung zu bestimmen sei. Er wollte darauf hinaus, dass es nicht auf das subjektive Empfinden, sondern auf eine objektivierte Betrachtung ankomme. Dann diskutierten wir ergebnisoffen, ob es sich hier um eine wesentliche oder unwesentliche Beeinträchtigung handelt und was für die ortsübliche Benutzung wesentlich ist. Prüfungstaktisch wollte er darauf hinaus, dass hier eine unwesentliche Beeinträchtigung vorliegt (Argumente: nur alle zwei Jahre an einem Wochenende, tagsüber und nicht in den Ruhestunden) wobei er es auch als gut vertretbar bezeichnete, wenn man eine wesentliche Beeinträchtigung angenommen hat. Wir kamen schließlich auf den Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu sprechen, stellten heraus, wieso dieser kein Schadensersatzanspruch ist (obwohl er sich diesem nach der Rechtsprechung sehr annähert), kamen auf die analoge Anwendung und die Voraussetzungen dafür und einer Analogie allgemein zu sprechen. Wir sollten noch weitere Ansprüche suchen bzw. prüfen. Ein Kandidat begann mit § 823 Abs. 1 BGB und tat sich dabei etwas schwer. Dabei hätte man den Anspruch mit Hinweis auf die Duldungspflicht und der fehlenden Rechtswidrigkeit schnell ablehnen können. Wir kamen allgemein auf das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis zu sprechen (kein Schuldverhältnis, Nachbarn kann man sich nicht aussuchen, Privatautonomie; Gebot der Rücksichtnahme aus § 242 BGB; Fallgruppen der Rechtsprechung etc.). Hierzu sollten ihr euch am besten nochmal etwas einlesen. Wir kamen zuletzt noch kurz auf die Besitzschutzansprüche zu sprechen, ob sie ein Anspruch daraus ergeben konnte, und überlegten eine analoge Anwendung. Allerdings steht auch hier wieder die Duldungspflicht entgegen. Ausführlich haben wir auch noch die bekannten Themen zu § 15a EGZPO i.V.m. § 53 JustG NRW besprochen. Zulässigkeitsvoraussetzung? Kann das nachgeholt werden? Sinn und Zweck? Gilt das auch für § 906 Abs. 2 Satz 2 (direkt / analog)? Hat der BGH für NRW entschieden: Nein, Geldansprüche sind nicht erfasst (historisches Argument mit Vorgängergesetz → dies hat er als Bonusfrage gestellt Zum Schluss machten wir noch etwas Prozessrecht. – Unterschied echtes/unechtes VU – „Gefällt ihnen der Begriff unechtes VU“? – Arbeitsschritte eines Richters → Zuständigkeit prüfen, Geschäftsverteilungspläne, §§ 21e, 21g GVG, § 12 Abs. 1 GKG (Ermessen?) – §§ 275, 276 ZPO → Vor- und Nachteile – VU im schriftl. Vorverfahren, §§ 310 Abs. 3, 331 Abs. 3 → Verkündung durch Zustellung (es kommt auf die letzte Zustellung an) – Wann kann ich ein zweites VU nach § 345 erlassen? → Wenn erneute Säumnis der säumigen Partei im Einspruchstermin – Was mache ich als Richter, wenn nach dem Einspruchstermin erneut mündlich verhandelt wurde und dann eine Partei nicht erscheint? Neues VU möglich? Kann es mehrere VUs gegen? Möglichkeit der Entscheidung nach Lage der Akten, § 331a → darf der gegnerische Anwalt dies beantragen?

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW vom Juli 2024. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.