Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Orginal-Mitschrift aus dem Zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Rheinland-Pfalz vom November 2015. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Arbeitsrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 | 2 | 3 | 4 |
Vorpunkte | 8,175 | 6,24 | 5 | 5,5 |
Aktenvortrag | 8 | 6 | 11 | 10 |
Prüfungsgespräch | 7 10 8 | 6 10 6 | 11 12 11 | 10 13 11 |
Wahlfach | 8 | 8 | 11 | 10 |
Endnote | 8,19 | 6,53 | 6,86 | 7,09 |
Endnote (1. Examen) | 8,5 |
Zur Sache:
Prüfungsstoff: protokollfest
Prüfungsthemen: betriebsbedingte Kündigung, Interessenausgleich, Insolvenzrecht
Paragraphen: §111 BetrVG, §113 BetrVG, §1 KSchG, §174 BGB
Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, hart am Fall, Fragestellung klar
Prüfungsgespräch:
Der Prüfer erwies sich insoweit als protokollfest, als dass er wieder einmal konträr zum Aktenvortrag prüfte. Ging es im AV noch um Individualarbeitsrecht, so hatte die Wahlfachprüfung seinen Aufhänger im kollektiven Arbeitsrecht.
Der Prüfer schilderte zunächst folgenden Fall:
Arbeitnehmer A kommt zu Ihnen in die Kanzlei. Er arbeitet bei der B-AG, die 200 Mitarbeiter hat. Der B-AG geht es schlecht, weswegen zunächst mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung geschlossen wurde, nach der es dieses Jahr kein Weihnachtsgeld gibt. Ferner hat die B-AG einen Insolvenzantrag gestellt. Der vorläufige Insolvenzverwalter hat dem A sodann eine Kündigung zum 29.2.2016 ausgesprochen. Aufgrund der finanziellen Lage müsse der Betrieb umstrukturiert und infolgedessen 100 AN entlassen werden. Eine Namensliste, die in Abstimmung mit dem Betriebsrat erarbeitet wurde, liegt vor. A steht auf dieser Liste. Ziel ist es den Betrieb auf einen Investor zu übertragen. Wie kann man A helfen?
Kanditat 1 wollte zunächst gegen die Kündigung vorgehen. Es ging zunächst um die Frage, wer hier überhaupt passivlegitimiert sei, da das die B-AG ja in der Insolvenz stecke. Hier war die Stellung des Insolvenzverwalters herauszuarbeiten. Wir unterschieden in der Folge zw. starkem und schwachem Insolvenzverwalter, wobei mir diese Unterscheidung nicht geläufig ist. Wir arbeiteten heraus, dass der starke Insolvenzverwalter selbst die Kündigung aussprechen kann, der schwache hingegen nur mit Zustimmung des Vorstandes. Hier ging es vor allem um die §§ 174, 180 BGB und deren Unterschiede.
Sodann prüften wir, ob die betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Hier wollte er deren Voraussetzungen hören, insbesondere, dass kein freier Platz im Unternehmen bestehen darf, auf den ein AN ggf. umgesetzt werden kann. Nachdem die dringlichen betrieblichen Erfordernisse bejaht waren, ging es um die Sozialauswahl, insbesondere das Vorliegen der Namensliste und der Vermutung nach § 1 V KSchG. Hier fragte er, ob die Voraussetzungen des § 1 V KSchG überhaupt vorlagen. § 1 V KschG verweist auf § 111 BetrVG, sodass jetzt die Voraussetzungen des § 111 BetrVG zu prüfen waren. Hier wurde § 111 Nr. 1 BetrVG von uns als einschlägig genannt. Er wandelte den Fall ein wenig ab und fragte, was wäre, wenn nur 8 AN entlassen würden. Dann wäre § 111 BetrVG nicht erfüllt und die Vermutung des § 1 V KschG könne nicht greifen.
Dann wollte er wissen, wie ein Interessenausgleich nach § 112 BetrVG auszusehen hat und was getan werden kann, wenn der AG hieran kein Interesse hat. Ggf. kann hier die Einigungsstelle angerufen werden oder der AN Abfindung nach § 113 BetrVG verlangen.
Schließlich ging es noch um den Inhalt der Namensliste. Er wollte hören, dass das Vorliegen der Namensliste alleine für die Vermutung des § 1 V KschG nicht ausreiche. Vielmehr muss sie erkennen lassen, dass ein Interessenausgleich tatsächlich stattgefunden hat, also Kriterien auflisten, warum wer Eingang in die Liste gefunden hat und wie genau der Interessenausgleich aussehen soll.
Dann war die Zeit auch schon rum. Der Prüfer hatte noch einiges an Notizen für den Fall übrig (insbesondere die Streichung des Weihnachtsgeldes hatten wir noch gar nicht thematisiert), kam hier aber mangels Zeit nicht mehr dazu.
Angesichts einiger Probleme, die wir beim Interessenausgleich offenbarten, war die Benotung insgesamt sicherlich in Ordnung, wenngleich sich nicht ganz offenbarte warum einige Kandidaten besser bewertet wurden als die anderen, da das Niveau mMn. in etwa gleich war. Interessant in diesem Zusammenhang ist insbesondere die Tatsache, dass alle Prüflinge, von Herrn Erhart die gleiche Note bekamen, die sie auch schon im Aktenvortrag hatten.
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