Prüfungsgespräch:
Er stellte keine aktuellen Themen oder Bezüge vor, sondern variierte stattdessen einen Fall:
Frau K und Herr B sind Nachbarn, die in Einfamilienhäusern auf benachbarten Grundstücken wohnen. Eine Mauer, die K gehört, trennt die Grundstücke. Als Frau K aus dem Urlaub zurückkehrt, entdeckt sie, dass die Mauer beschädigt ist. Zunächst sieht sie ein Baugerüst auf Bs Grundstück, das am nächsten Tag jedoch verschwunden ist. Ein Gutachter vermutet, dass die Beschädigung von einem LKW oder Bagger stammen könnte und veranschlagt die Reparaturkosten auf 1.200 € brutto (1.000 € netto). K ist sich sicher, dass der Schaden an der Mauer vor ihrem Urlaub dort nicht war. Frau K konsultiert Sie als Anwältin und fragt, was in dieser Situation getan werden kann. Der Prüfer ließ eine Kandidatin erläutern, dass zunächst eine Vollmacht unterzeichnet und eine außergerichtliche Stellungnahme eingefordert werden könnte, bevor eine Klage auf Grundlage der bisherigen Erkenntnisse geprüft wird. Materiell-rechtlich wurde das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis besprochen und abgelehnt. Bei der Prüfung des § 1004 I BGB fehlten K Beweismittel, um nachzuweisen, dass die Beschädigung durch B verursacht wurde, weshalb der Anspruch abgelehnt wurde. Der § 1004 BGB dürfte aber auch schon nicht einschlägig gewesen sein, weil es hier ja um Schadensersatz in Form der Naturalrestitution geht und nicht um einen Unterlassungsanspruch. Wir prüften dann § 823 I BGB und seine Voraussetzungen: Rechtsgutsverletzung, Kausalität, Rechtswidrigkeit und Verschulden. Das Verschulden konnte nicht nachgewiesen werden. Der Prüfer fragte, ob die Tätigkeiten der Baufirma dem B zugerechnet werden könnten. Wir erklärten, dass dies im Deliktsrecht nicht möglich sei, und besprachen die Verkehrssicherungspflichten. Der Prüfer wollte auch zu § 831 BGB hören, den wir ebenfalls verneinten. Hier ging es insbesondere darum, ob die Baufirma Verrichtungsgehilfe war und die Exkulpation nach S. 2. Es stellte sich heraus, dass K keine Ansprüche gegen B hat. Wir prüften dann mögliche Ansprüche gegen die Baufirma. Eine Kandidatin sollte den Klageantrag formulieren, eine andere die Rolle der Richterin übernehmen und erklären, was zu tun sei, wenn eine solche Klage eingereicht wird. Sie antwortete, dass geprüft werden muss, ob der erforderliche Gerichtskostenvorschuss eingezahlt wurde und die Klage dann der Beklagten zugestellt werden muss. Der Prüfer fragte nach der Darlegungs- und Beweislast und wann eine Beweiserhebung erfolgen muss. Er wollte wissen, wie die Richterin entscheiden muss, wenn die Klägerin substantiiert vorträgt, Zeugen benennt und die Beklagte nur behauptet, es nicht gewesen zu sein. An dieser Stelle müsste die Richterin der Klage stattgeben, weil die Beklagte ebenso substantiiert bestreiten muss. Unterlässt sie dies, gilt der Vortrag nach § 138 III ZPO als zugestanden. Wir gingen davon aus, dass der Schriftsatz an die Beklagte zugestellt wurde, diese aber nicht antwortet. Die Richterin entschied sich für ein schriftliches Vorverfahren, übersehen jedoch den Schriftsatz der Beklagten und gab der Klage statt. Was kann die Beklagte tun? Hier erläuterten wir die Berufung nach §§ 511 ff. ZPO. Der Prüfer wollte wissen, bei welchem Gericht diese einzulegen ist (Landgericht, da die Klage beim Amtsgericht erhoben wurde) und welches Organ zuständig ist. Er erwartete die Antwort „Einzelrichter nach § 348a ZPO“. Dann fragte er nach dem Prüfungsumfang in der Berufung und der Rechtsfolge, falls ein Verstoß festgestellt wird (§ 538 III Nr. 1 ZPO). Der Fall ging weiter: Die Klage der Frau K wurde abgewiesen. Wir versetzten uns in die Rolle der Anwältin von Frau K, die das Amtsgericht oder die Richterin verklagen wollte. Hier diskutierten wir den Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG, die Fahrlässigkeit nach § 839 I 2 BGB und § 839 II BGB.
Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Rheinland-Pfalz vom November 2024. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.