Hinweis: Einführung zu der Entscheidungsbesprechung: Pflicht des Zeugen zum Erscheinen auch bei Zeugnisverweige-rungsrecht (OLG Rostock ; Beschluss vom 06.06.2014 – Ws 127/14) Die Entscheidungsbesprechung wird heute mittag veröffentlicht.
Prüfungswissen: Das Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO
Das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO gilt umfassend für alle Einvernahmen eines Zeugen. Es ist hierbei unerheblich, dass dieser ggf. bereits zuvor in einer früheren Vernehmung belastende Angaben gemacht hat oder ob die verlangte Auskunft den Beschuldigten be- oder entlasten würde. § 55 StPO begründet allerdings kein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht, kann zu einem solchen jedoch faktisch führen, wenn der gesamte Inhalt der Aussage von den Voraussetzungen des § 55 I StPO umfasst wäre (BGH NStZ 1986, 181; NStZ 1998, 365). Der Zeuge darf nicht in die Situation gebracht werden, dass bereits die Ingebrauchnahme von § 55 StPO einen Verdachtsgrund gegen ihn oder einen Angehörigen begründen kann; das Auskunftsverweigerungsrecht besteht daher bereits dann, wenn schon die Bejahung oder Verneinung einer Frage diese Gefahr mit sich bringen würde (BVerfG NJW 1999, 779; BGH MDR 1993, 722; NJW 1999, 1413) (vgl. Beck-OK/Huber, § 55 StPO, Rn. 2).
55 StPO kommt nur zur Anwendung, wenn dem Zeugen die Verfolgung wegen einer Straftat oder OWi, die er bereits vor der Aussage begangen hat, droht. Hierbei ist nicht erforderlich, dass dem Zeugen tatsächlich eine Strafe oder Geldbuße droht; es genügen auch anzunehmende Sicherungsmaßregeln, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel, wie auch die Durchführung eines Verfahrens nach §§ 413 StPO ff. Dass sich der Zeuge alleine durch seine Aussage strafbar machen könnte, reicht hierfür nicht (BGH StraFo 2012, 173; NJW 2006, 785; OLG Düsseldorf NStZ 1982, 257; BVerfG NStZ 1985, 277). Aber die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung im Ausland reicht aus (LG Freiburg NJW 1986, 3036) (vgl. Beck-OK/Huber, § 55 StPO, Rn. 3).
Es ist ausreichend, wenn dem Zeugen durch seine Angaben die Einleitung eines Er-mittlungsverfahrens droht (OLG Hamburg NJW 1984, 1635; OLG Hamm StraFo 1998, 119), d.h. seine Angaben müssen zumindest einen prozessual ausreichenden Anfangs-verdacht im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO für ein strafbares Verhalten des Zeugen begründen können (OLG Jena NStZ-RR 2011, 279). Eine sichere Erwartung einer Strafverfolgung ist dagegen nicht erforderlich. Auf der anderen Seite reicht es auch nicht lediglich aus, dass mit einer bloß theoretischen Möglichkeit zu rechnen ist (BGH NStZ 1994, 499; 1981, 93). Es genügt jedoch, wenn die Aussage des Zeugen die Strafverfolgung nur mittelbar begründen würde (BVerfG NStZ 2002, 378; 2003, 666; OLG Köln NStZ-RR 2005, 269) (vgl. Beck-OK/Huber, § 55 StPO, Rn. 4).
Veröffentlicht in der Zeitschriftenauswertung (ZA) Juli 2015