Hinweis: Einführung zu der Entscheidungsbesprechung: Abgrenzung zwischen fehlgeschlagenem, unbeendetem und beendetem Versuch (BGH; Beschluss vom 27.11.2014 – 3 StR 458/14). Die Entscheidungsbesprechung wird heute mittag veröffentlicht.
Examenswissen: Der strafbefreiende Rücktritt vom Versuch, § 24 StGB
Ist der tatbestandsmäßige Erfolg nicht eingetreten und das Delikt damit nicht vollendet, so kommt ein strafbefreiender Rücktritt des Täters vom Versuch nach § 24 StGB in Betracht.
Dabei sind die Regelungen des § 24 I und II StGB zu unterscheiden, wobei Abs. 2 eine
Sonderregelung für mehrere Tatbeteiligte darstellt.
I. Der Rücktritt des Einzeltäters, § 24 I 1 StGB
Der Rücktritt des Einzeltäters richtet sich nach § 24 I 1 StGB.
1. Voraussetzung hierfür ist jedoch zunächst, dass es sich nicht um einen fehlgeschlagenen Versuch handelt, da in diesem Fall ein strafbefreiender Rücktritt grundsätzlich ausgeschlossen ist.
Der „fehlgeschlagene Versuch“ ist zwar nicht im Gesetzeswortlaut verankert, wird aber als in der Struktur des § 24 StGB immanent angelegt betrachtet. Ein fehlgeschlagener Versuch liegt dabei vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung den Erfolgseintritt in unmittelbar räumlichem und zeitlichem Zusammenhang mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht herbeiführen kann. Es ist also eine subjektive Betrachtungsweise ausschlaggebend.
2. Daran schließt sich die Prüfung an, ob ein beendeter oder unbeendeter Versuch vorliegt.
a) Diese Unterscheidung ist für die erforderliche Rücktrittshandlung von Bedeutung:
– Beim unbeendeten Versuch genügt ein bloßes „Nicht-weiter-Handeln“ des Täters.
– Beim beendeten Versuch dagegen muss
– der Täter den Erfolg verhindern oder
– wenn ein (unerkannt) untauglicher Versuch (bei dem die Tat ohnehin nicht vollendet werden kann) vorliegt oder die Tat ohne Zutun des Täters nicht vollendet wird (§ 24 I 2 StGB), sich zumindest ernsthaft um die Verhinderung bemühen.
b) Ob der Versuch beendet ist oder nicht, richtet sich erneut nach der Sicht des Täters: Beendet ist ein Versuch, wenn der Täter davon ausgeht, alles für den Eintritt des Erfolges Erforderliche und Ausreichende getan zu haben; macht sich der Täter hingegen keine Gedanken darüber, ob er alles Erforderliche getan hat, soll nach BGH NJW 95, 974 stets ein beendeter Versuch gegeben sein.
Dabei stellt die h.M. nicht auf die Vorstellung des Täters zu Beginn seiner Ausführungshandlung ab (so die sog. Tatplantheorie), sondern zum Zeitpunkt seiner letzten Ausführungshandlung bzw. des Verhaltens, das als Rücktritt gerade zu prüfen ist (sog. Lehre vom Rücktrittshorizont).
3. Schließlich muss der strafbefreiende Rücktritt freiwillig erfolgt sein. Dabei kommt es weniger auf die konkreten Motive des Täters an, insbesondere müssen diese nicht ethisch hochstehend sein. Nach h.M. ist vielmehr zu prüfen, ob der Täter aus autonomen Motiven gehandelt hat, also noch selbst Herr seiner eigenen Entschlüsse war, oder ob ihn heteronome Motive zum Rücktritt bewegt haben. Darunter fallen solche Motive, die von seinem Willen unabhängig sind und die Sachlage so wesentlich zu seinen Ungunsten verändern, dass er die damit verbundenen Risiken vernünftigerweise nicht mehr in Kauf nehmen kann, z.B. die Gefahr, entdeckt zu werden.
II. Der Rücktritt bei mehreren Tatbeteiligten, § 24 II StGB
Sind an der Tat mehrere Personen beteiligt (z.B. als Anstifter, Mittäter oder Gehilfe), so richtet sich der Rücktritt nach § 24 II StGB. Dabei gelten im Verhältnis zu § 24 I StGB folgende Besonderheiten:
1. Der Rücktritt wirkt jeweils nur für den zurücktretenden Beteiligten selbst und ist somit grundsätzlich für jeden einzelnen Tatbeteiligten separat zu prüfen. Es kann allerdings auch als Rücktrittshandlung ausreichen, wen sich ein Beteiligter mit der Rücktrittshandlung des anderen ersichtlich einverstanden zeigt.
2. Es findet keine Unterscheidung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch statt. Vielmehr ist allein maßgebend, dass der Beteiligte die Tat verhindert. Gelingt ihm dies trotz seiner Bemühungen nicht, so trägt auch er allein das Rücktrittsrisiko.
Allerdings genügen die ernsthaften Bemühungen des Beteiligten zur Verhinderung des Einritts des tatbestandsmäßigen Erfolges, wenn – die Tat auch ohne sein Zutun nicht vollendet wird (§ 24 II 2 Alt. 1, insoweit ähnlich wie § 24 I 2 StGB) oder – die Tat unabhängig von seinem Beitrag vollendet wird. Hier werden jedoch strenge Anforderungen gestellt, insbesondere darf der Tatbeitrag des Zurücktretenden nicht mehr weiterwirken (§ 24 II 2 Alt. 2 StGB).
3. Auch bei mehreren Beteiligten ist stets Freiwilligkeit des Rücktritts erforderlich und es darf kein fehlgeschlagener Versuch vorliegen (vgl. oben zu § 24 I StGB).
Veröffentlicht in der Zeitschriftenauswertung (ZA) Mai 2015