Hinweis: Einführung zu der Entscheidungsbesprechung: Zweck und Voraussetzungen der Anhörungsrüge (OVG Münster; Beschluss vom 13.11.2015 – 6 A 2198/15) Die Entscheidungsbesprechung wird heute mittag veröffentlicht.
Prüfungswissen: Die Anhörungsrüge, § 152a VwGO
I. Tauglicher Gegenstand
Gegenstand einer Anhörungsrüge sind gerichtliche Entscheidungen. Es müssen
folgende Voraussetzungen vorliegen.
- Die verletzende Entscheidung muss eine Endentscheidung sein, gegen die Rechtsmittel oder andere Rechtsbehelfe nicht gegeben sind. An dieser Voraussetzung fehlt es etwa dann, wenn im Rahmen eines Zulassungs- oder Rechtsmittelverfahrens die Möglichkeit zur Geltendmachung einer Verfahrensrüge – etwa nach § 124 II Nr. 5 oder § 132 II Nr. 3 VwGO – gegeben ist (vgl. Ewer, NJW 2007, 3171 [3173]).
- Der Anspruch des die Anhörungsrüge erhebenden Beteiligten auf rechtliches
Gehör muss verletzt sein. Hierfür reicht ein objektiver Verstoß gegen Art. 103 I GG aus, eines Verschuldens bedarf es insoweit nicht. - Der Gehörsverletzung muss entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen. Das ist der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht ohne die Gehörsverletzung zu einem anderen, für den Rügeführer günstigeren Ergebnis gelangt wäre (vgl. BVerfG, NJW 2004, 3551 [3552]).
II. Frist
Die Rüge ist gem. § 152a II 1 VwGO innerhalb von zwei Wochen nach positiver Kenntnis von der Verletzung rechtlichen Gehörs zu erheben.
Eine solche positive Kenntnis liegt vor, wenn dem Rügeberechtigten alle Umstände bekannt sind, aus denen sich die Berechtigung zur Rügeerhebung ergibt. (vgl. Ewer, NJW 2007, 3171 [3173]).
Hinsichtlich der Rügefrist bedarf es keiner Rechtsmittelbelehrung i.S.d. § 58 VwGO, da die Anhörungsrüge kein Rechtsmittel im technischen Sinne ist. Da die Ein-Jahres-Frist des § 152a II 2 VwGO eine absolute Ausschlussfrist darstellt, kann ihre Versäumung nicht im Wege der Wiedereinsetzung geheilt werden.
III. Form
Nach § 152a II 4 VwGO ist die Rüge schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Gemäß § 67 IV 1 VwGO unterliegt die wirksame Erhebung einer Anhörungsrüge vor dem OVG und BVerwG dem Anwaltszwang bzw. Behördenprivileg (vgl. Ewer, NJW 2007, 3171 [3173]).
IV. Inhalt der Rüge
Nach § 152a II 6 VwGO muss die Rüge inhaltlich die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 darlegen. Angesichts der allgemeinen prozessrechtlichen Bedeutung des Begriffs der Darlegung ist es insoweit erforderlich, unter Ausführung der insoweit maßgeblichen Umständen vorzutragen, dass das Gericht einen bestimmten entscheidungserheblichen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat und dass die Entscheidung im Falle einer entsprechenden Berücksichtigung anders hätte ausfallen können (vgl. Ewer, NJW 2007, 3171 [3173]).
Veröffentlicht in der Zeitschriftenauswertung (ZA) Mai 2016