Prüfungswissen: Die Drittschadensliquidation

Hinweis: Einführung zu der Entscheidungsbesprechung: Drittschadensliquidation bei mangelhafter Architektenleistung (BGH; Urteil vom 14.01.2016 – VII ZR 271/14) Die Entscheidungsbesprechung wird heute mittag veröffentlicht.

Prüfungswissen: Die Drittschadensliquidation

I. Allgemeines
Bei Drittschadensliquidation liegt eine Konstellation vor, in welcher der Geschädigte sich auf keine Anspruchsgrundlage berufen kann, während derjenige, dem eine Anspruchsgrundlage zusteht, aufgrund einer zufälligen Schadensverlagerung keinen Schaden er-leidet. Dies soll nicht dem Schädiger dergestalt zu Gute kommen, dass er niemandem den Schaden ersetzen muss. Mit der Drittschadensliquidation macht daher der Anspruchsinhaber den Schaden eines Dritten geltend.II. Anspruchsvoraussetzungen
1.     Geltendmachung von Schadensersatz aus einem Vertrag oder aus Delikt.
2. Derjenige, der sich auf eine Anspruchsnorm berufen kann, hat keinen Schaden erlitten, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen der Anspruchsnorm nicht vollständig erfüllt sind.
3.    Derjenige hingegen, der den Schaden erlitten hat, kann sich gegenüber dem Schädiger auf keine Anspruchsnorm berufen.
Beachte: Beim Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte hat der Geschädigte einen eigenen Anspruch, so dass sich ein Rückgriff auf die Drittschadensliquidation verbietet.
4.    Zufällige Schadensverlagerung vom Anspruchsberechtigten zum Geschädigten.
Hierbei muss die Schadensverlagerung für den Schädiger dergestalt zufällig sein, dass sie nicht ihn begünstigen soll, sondern andere Zwecke verfolgt.

Fallkonstellationen:
•      Gefahrverlagerung (z.B. Versendungskauf mit Transportperson, die nicht HGB unterfällt)
•      Obhutspflichten gegenüber fremden Sachen (z.B. Beschädigung beim Entleiher)
•      mittelbare Stellvertretung (= Handeln im eigenen Namen für fremde Rechnung, z.B. Kommissionsverhältnis)
Es darf allerdings nicht eine Gefahr der Schadensvermehrung bestehen, d.h.
die Drittschadensliquidation darf nicht zu einer Risikovergrößerung beim Schädiger führen.
5.    Berücksichtigung von Mitverschulden zu Lasten des Geschädigten.
Hierbei ist sowohl eigenes als auch des Anspruchsinhabers nach § 254 BGB relevant.

III.  Rechtsfolgen der Drittschadensliquidation
1.    Der Schaden wird zur Anspruchsgrundlage gezogen, d.h. Gläubiger kann auf Leistung an sich oder den Geschädigten klagen.
2.    Der geschädigte Dritte kann analog § 285 BGB Abtretung des Schadensersatzanspruches verlangen.

IV.   Abgrenzung zum Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte
Beim Vertrag mit Schutzwirkung wird der Anspruch zum Schaden gezogen, bei der Drittschadensliquidation der Schaden zum Anspruch.
Die Drittschadensliquidation ist ein Fall der Risikoverlagerung, der Vertrag mit Schutzwirkung hingegen ist für den Schuldner eine echte Risikokumulierung. Er ist nämlich zusätzlich noch den Ansprüchen eines Dritten ausgesetzt.

Veröffentlicht in der Zeitschriftenauswertung (ZA) Mai 2016