Prüfungswissen: Misshandlung von Schutzbefohlenen, § 225 StGB

Hinweis: Einführung zu der Entscheidungsbesprechung: Misshandlungen von Schutzbefohlenen (BGH; Urteil vom 04.08.2015 – 1 StR 624/14) Die Entscheidungsbesprechung wird heute mittag veröffentlicht.

Prüfungswissen: Misshandlung von Schutzbefohlenen, § 225 StGB (vgl. Rengier, StrafR BT II, § 17 und Beck-OK-StGB/Eschelbach, § 225 StGB)

I. Tatbestandsmäßigkeit

1. Objektiver Tatbestand

a) Tatobjekt
Tatobjekt kann nur eine Person sein, die unter 18 Jahren alt oder wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlos ist, und einem der Schutzverhältnisse des Abs. 1 Nr. 1–4 untersteht.aa) Unterstehen der Fürsorge oder Obhut des Täters
Fürsorge
ist ein auf längere Dauer angelegtes Abhängigkeitsverhältnis, bei dem der Verpflichtete rechtlich für das leibliche und geistige Wohl der ihm unterstellten Person zu sorgen hat.
Obhut ist die Pflicht zur unmittelbaren körperlichen Beaufsichtigung, die − anders als die Fürsorge − nicht auf längere Dauer angelegt ist, aber eine enge räumliche Beziehung zwischen der Aufsichtsperson und dem Schützling voraussetzt.

bb) Zugehörigkeit zum Hausstand des Täters
Tatobjekt können alle Personen sein, die mit dem Täter in häuslicher Gemeinschaft leben, wie etwa Stiefkinder und Pflegekinder, ferner zur Erziehung im Haushalt untergebrachte Jugendliche, Hausangestellte oder Familienangehörige, die dort wohnen. Ausgenommen sind Personen, die einen eigenen Haushalt führen und nur zeitweise im Hausstand des Täters anwesend sind.

cc) Überlassung der Gewalt des Täters durch den Fürsorgepflichtigen
Das ist ein Auffangtatbestand gegenüber den Fällen des § 225 I Nr. 1 und 2 StGB, der auf einem rein tatsächlichen Verhältnis beruht. Erforderlich ist ein tatsächlicher Überlassungsakt, so dass ein eigenmächtiges Einschreiten eines Nachbarn oder Bekannten gegenüber dem Kind nicht zur Herstellung eines Gewaltverhältnisses im Sinne von § 225 I Nr 3 StGB führt. Eine kurzfristige Überlassung reicht im Einzelfall aus. Erforderlich ist andererseits die Überlassung gerade zum Zweck der Fürsorge und Obhut.

dd) Unterordnung unter den Täter im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses
Es geht um ein Vorgesetzten- und Untergebenenverhältnis aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnisses, etwa beim Militär, sofern es wegen Verletzungen wehrlose (volljährige) Personen versorgen muss, oder aufgrund eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses. Entscheidend ist, dass der Täter ein über den Einzelfall hinaus gehendes Weisungsrecht hat und der Untergeordnete grundsätzlich den Weisungen folgen muss.

b) Tathandlungen

aa) Quälen
Quälen bedeutet Verursachung länger dauernder oder sich wiederholender erheblicher Schmerzen oder Leiden (auch seelischer Art).

bb) Roh misshandeln
Die rohe Misshandlung ist dadurch gekennzeichnet, dass der Täter das körperliche Wohlbefinden des Opfers (über § 223 hinausgehend) erheblich beeinträchtigt und aus einer gefühllosen Gesinnung handelt. Eine solche liegt vor, wenn der Täter das Gefühl für das Leiden des Misshandelten verloren hat. Trotz der subjektiven Komponente handelt es sich um ein tatbezogenes Merkmal.

cc) Schädigung der Gesundheit durch Vernachlässigung der Sorgepflicht
Diese Tatvariante stellt ein Unterlassungsdelikt dar. Böswillig handelt, wer die Sorgepflicht aus einem besonders verwerflichen Motiv (z. B. Bosheit, Sadismus, Hass, Geiz, Eigensucht), nicht aber aus Gleichgültigkeit oder Schwäche verletzt.

2. Subjektiver Tatbestand
Der Täter muss den objektiven Tatbestand vorsätzlich verwirklichen. Bei der Schädigung der Gesundheit muss jedoch zudem Böswilligkeit vorliegen. Die Böswilligkeit ist als besonderes subjektives Tatbestandsmerkmal anzusehen.

II. Rechtswidrigkeit / Schuld
Hier gelten keine Besonderheiten.

Veröffentlicht in der Zeitschriftenauswertung (ZA) Dezember 2015